Der Ride Of Silence 2021 fand in Frankfurt am Main am 11. August statt. Um 6 Uhr abends trafen sich ungefähr 100 Radfahrende an der Alten Oper, um den Menschen zu gedenken, die letztes Jahr im Frankfurter Straßenverkehr getötet und verletzt worden sind. Insbesondere haben wir den beiden getöteten Radfahrenden gedacht: am 27. November ein 27-jähriger Radfahrer an der Oskar-von-Miller-Straße und am 9. Dezember ein 73-jähriger Radfahrer am Ginnheimer Hohl. Während der Demonstration besuchten wir beide Unfallorte und hielten Schweigeminuten.
Am Unfallort an der Oskar-von-Miller-Straße ist am 27. November nicht nur ein Radfahrer ums Leben gekommen, sondern auch ein Fußgänger. Eine weitere Fußgängerin wurde lebensgefährlich verletzt. Radfahrende und Fußgänger:innen sind stark gefährdet im Straßenverkehr, sie werden allgemein als „schwache“ Verkehrsteilnehmer bezeichnet. Doch warum verwenden wir überhaupt solche Worte, wenn wir über Verkehr reden? Auf der Straße sollten keine Kategorien von „stark“ und „schwach“ gelten, schon gar nicht das „Recht des Stärkeren“. Wir wollen nur sicher zur Arbeit, ins Kino, zu Freunden – egal, wie wir uns fortbewegen.
Ein neues Ghostbike für die Oskar-von-Miller-Straße
Besonders pointiert war unser Halt an der Oskar-von-Miller-Straße, weil wenige Wochen vor dem Ride of Silence ein weiterer Unfall dort passiert ist, bei dem diesmal zum Glück der rücksichtslose Fahrer niemanden verletzt hat. Das schon aufgestellte Ghostbike hat er trotzdem zerstört. Nun haben wir die Gelegenheit genutzt und mit dem Ride of Silence ein neues Ghostbike aufgestellt, damit an dieser Stelle wieder an den Unfall erinnert wird.
Viel zu viele Menschen werden Opfer von rücksichtslosem Verhalten: achtloses Abbiegen ohne Schulterblick, zu dichtes Überholen, Rasen, Hupen, Drängeln, dumme Sprüche. In Frankfurt sind letztes Jahr 2 Radfahrende verstorben, 125 wurden schwer und 796 leicht verletzt. Das sind definitiv zu viele. Oft liegt der Fehler klar bei den Kraftfahrer:innen, aber leider fehlt an vielen Stellen auch sichere Infrastruktur.
Verkehr ist kein Schicksal
Dabei wird Verkehr oft als Naturgewalt, Schicksal, „allgemeines Lebensrisiko“ eingestuft und kommuniziert. Das sieht man an den vielen Schlagzeilen, wo Autos handeln statt Personen: „das KFZ überholte zu dicht“. Oder Opfer werden „touchiert“ und „erfasst“, anstatt dass die Schuldigen benannt werden. Noch dazu werden häufig angeblich fehlende Warnwesten oder Helme angeführt – als ob die Opfer selbst schuld wären. Aber das stimmt nicht. Verkehr ist kein Schicksal.
Jeder Teil der Infrastruktur für Verkehr ist von Menschen bewusst geplant und gebaut worden: zu schmale Bürgersteige, fehlende Radwege, Autos mit gigantischen Kühlergrills, LKWs ohne Abbiegeassistenten, 50 km/h innerstädtisch, erlaubtes Gehwegparken, unzureichende Durchsetzung der Verkehrsregeln – all das ist menschengemacht. Und das heißt auch, dass wir es anders machen können.
Wir können es besser machen
Ja, es gibt immer ein gewisses Risiko – absolute Sicherheit kann es nicht geben. Aber aktuell könnten wir viele Unfälle vermeiden, mit anderen Regeln und entsprechender Technik, die es längst gibt. Wir wollen, dass es irgendwann keinen Ride of Silence mehr geben muss. Und bis dahin machen wir weiter, jedes Jahr, und erinnern an die Opfer.
Wir bedanken uns bei allen Teilnehmenden und der Polizei, die die Demonstration begleitet hat.